Von Kirche zu Kirche durch die Jahrhunderte
Eine Kirchenerkundungstour im Kohrener Land

Machen Sie sich auf zu einer kleinen Reise durch eintausend Jahre Kirchen- und Kulturgeschichte, durch achthundert Jahre Kunstgeschichte und durch eine reizvolle Landschaft.  Vier Kirchen, in ganz unterschiedlichen Epochen erbaut, gilt es zu erkunden. Die älteste von ihnen ist die St.-Gangolf-Kirche in Kohren. Trotz mancher Umgestaltung hat sich der romanische Kern des über achthundert Jahre alten Baues erhalten. Die GnandsteinerKirche, fertiggestellt nur ein Jahr nach Luthers Thesenanschlag, steht für herrschaftliche Repräsentation. Ganz anders ist der Charakter der kleinen Altmörbitzer Dorfkirche. Mit ihrer herrlichen farblichen Ausgestaltung sowie die floralen Motive sind Ausdruck schöpfungsverbundener bäuerlicher Frömmigkeit. In Rüdigsdorf hingegen erwartet Sie ein Bau des 19. Jahrhunderts, von einem jungen Architekten erdacht und von namhaften Künstlern verwirklicht. Lassen Sie sich einladen, wandern Sie durchs Kohrener Land und erkunden Sie unsere Kirchen, genießen Sie die Stille der alten Mauern oder besuchen einen unserer Gottesdienste.

St.-Gangolf-Kirche in Kohren-Sahlis

Kohren kann auf eine über eintausendjährige Geschichte zurückschauen und gehört damit zu den ältesten historisch nachweisbaren Orten Sachsens. Noch heute finden sich zahlreiche bauliche Zeugnisse, die weit in das Mittelalter zurückreichen. Zu diesen gehört neben den Bergfrieden und der Ringmauer der Burg auch die St.-Gangolf-Kirche. Die dreischiffige Pfeilerbasilika wurd an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert erbaut. Trotz einiger Umbauten hat sie ihren romanischen Charakter weitgehend erhalten. Für den sächsischen Raum ungewöhnlich ist ihr Patrozinium, also Heilige, dem Sie geweiht worden ist. Der heilige Gangolf war ein Ritter der Karolingerzeit und führte ein besonders heiligenmäßiges Leben und auch nach seinem Tod soll er noch Wunder gewirkt haben. Vor allem in Franken verehrten ihn dieGläubigen und sicher wurde diese Verehrung durch Siedler aus diesem Gebiet mit nach Kohren gebracht. Die Kirche befindet sich auf der Höhe eines Hügels, der sich nach Westen weit in das Tal schiebt und an dessen Sporn sich die Reste der Burg befinden. Der ungewöhnlich lange zweijochige Chor und die massigen Pfeiler geben der Kirche ihr Gepräge. Sie stammen, wie auch die Fenster in der Apsis und die von außen noch sichtbaren Reste der Fenster an der Südwand aus der Erbauungszeit. Der Grundriss der Kirche zeigt, wie unsymmetrisch der Bau angelegt wurde. So ist das Südschiff ein Meter länger als das Nordschiff und auch die Maße zwischen Pfeilern variieren. Dagegen wirkt die Kirche im Innren auf den ersten Blick symmetrisch. Im 15. Jahrhundert wurde das Kirchenschiff eingewölbt und es wurden die Maßwerkfenster eingebaut. Eindrücklich sind die Aufleger des Gewölbes im Mittelschiff, die mit Blattwerk, Masken und Figuren verziert sind. Im 19. Jahrhundert wurd die Kirche noch einmal umgebaut. Das Westwerk wurde abgetragen und durch eine Vorhalle ersetzt. Damit wurde auch die heutige Orgelempore geschaffen. Im Chorraum wurde das Bodenniveau abgesenkt, im Süden eine Eingangshalle und im Norden ein Vorbau angefügt. An den Planungen war der Architekt Ludwig Möckel beteiligt, der später durch die Restaurierung des Doberaner Münsters Bekanntheit erlangte. In Zuge dieser Erneuerung erhielt die Kirche auch die heute noch sichtbaren Bleiglasfenster sowie die Kanzel und den Taufstein. Beeindruckend ist das Altarretabel, das wohl aus dem Umfeld des Malers Johann de Perre stammt. Es wurde 1616 durch die Familie von Löser gestiftet und in seinem Zentrum ist das letzte Abendmahl dargestellt.

Christuskirche in Rüdigsdorf

Der Architekt Oscar Mothes erbaute hier in Rüdigsdorf eine Kirche, die in der Schlichtheit und Geradheit dem Protestantismus entspricht, dabei auf die Formensprache der Gotik zurückgreift. In nur einem Jahr Bauzeit entstand in den Jahren 1848/49 – unter Einbeziehung der Mauern des Vorgängerbaus – eine der ersten neogotischen Kirchen in Sachsen. Mothes, ein Schüler Gottfried Sempers, war damals gerade zwanzig Jahre alt. An der Ausgestaltung der Kirche waren weitere namhafte Künstler des 19. Jahrhunderts beteiligt. Im Mittelpunkt der Kirche steht der auferstandene Christus, wie ihn die Hinterglasmalerei des Altargemäldes zeigt. Die Entwürfe zu diesem lieferte der Leipziger Maler Gustav Jäger. Beeinflusst von der Gotik sind die Kanzel, der Altar und das Orgelgehäuse, die der Bildhauer Paul Syberg schuf. Sie ziert feines Maßwerk, wobei vor allem die Gestaltung der Kanzel in Form eines Weinstocks heraussticht. Kleine kunsthistorische Kostbarkeiten stellen zwei kleine Glasfenster in der Patronatsloge dar. Sie zeigen zum einen Maria mit dem Kind und zum anderen Johannes den Täufer. Die Entwürfe wurden von Eduard Bendemann und Julius Schnorr von Carolsfeld geliefert. Die Vorlagen für das Kruzifix und ein Bildnis des Patronatsherrn Wilhelm Leberecht Crusius gehen auf den Bildhauer Ernst Rietschel zurück. Crusius war es auch, der den Bau finanzierte. Ausstattung und Gestaltung der Kirche sind weitgehend erhalten. Einzig der Treppenturm, der zur Patronatsloge führte, musste wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Die Christuskirche in Rüdigsdorf ist ein schönes Beispiel, wie mit dem Rückgriff auf alte Formen eine moderne, der Zeit entsprechende Kirche entstand.

Dorfkirche Gnandstein

Um die Jahrhundertwende vom 12. zum 13. Jahrhundert wurde in Gnandstein wohl etwa zeitgleich mit der Burg eine erste Kirche erbaut. Von ihr sind im Innern noch heute romanische Putzreste unterhalb der Emporen zu erkennen. Auch das Radkreuz außen, unterhalb des Ostfensters ist diesem älteren Bau zuzuordnen. Der Neubau der spätgotischen Kirche, so wie sie sich noch heute präsentiert, wurde 1518 fertiggestellt, also ein Jahr nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg. Heinrich von Einsiedel, der zum Zeitpunkt der Fertigstellung ihr Patronatsherr war, gehörte zu den frühen Anhängern der Wittenberger Reformatoren. Mit dem Neubau erhielt die Kirche ein Netzgewölbe mit Rippen aus rotem Porphyr und gotische
Maßwerkfenster im Chor. Von Außen präsentiert sich der langgestreckte Bau mit einem steilen Satteldach. Im Norden wurde der Kirche eine Patronatsloge und der Treppenaufgang angefügt. Unterhalb der Patronatsloge kann man noch heute einen Blick in das Ossuarium, also das Beinhaus, des Friedhofes werfen. Im Westen wurde der Kirche ein gedrungener Turm und südlich davon ein Treppenaufgang angefügt. Wie auch heute war der Baukörper verputzt und weiß sowie unterhalb des Dachgesimses mit einem Rautenfries versehen. Die Eckverquaderung ist farblich hervorgehoben. Aus der Erbauungszeit haben sich einige farbig gefasste Glasfenster im Chor der Kirche erhalten. Auch die übrige Ausstattung der Kirche ist beachtlich. Eine herausragende Arbeit ist der 1559 geschaffene Epitaphaltar für Heinrich von Einsiedel mit einer eigens von Philipp Melanchthon für den Verstorbenen verfassten Inschrift. Ebenso eindrücklich sind die neun 1640 im Chor aufgestellten Sandsteinplatten, die Familienmitglieder der von Einsiedel zeigen. Im 18. Jahrhundert wurden diese noch einmal um vier weitere ergänzt. Sie zeigen das herrschaftliche Selbstverständnis der hier bestatteten Patronatsherren. In 1660er Jahren erhielt der spätgotische Turm einen achteckigen Dachreiter. Im Innern wurde der Altar 1688 durch einen Kanzelaltar ersetzt. Er war damit einer der Ersten seiner Art in Sachsen. Ebenso ließen die Patronatherren ihre Loge prächtig mit den Wappen ihrer Verwandten schmücken und verdeutlichten so ihre Stellung im Land. Das Kirchenschiff unterscheidet sich von der herrschaftlichen Pracht. Nach der Vorlage der Bilderbibel des Matthaeus Merian d.Ä. schuf Tobias Pferts oder Perthes einen Zyklus, der das Leben Jesu von der Verkündigung bis zum Jüngsten Gericht in einem ländlichen barocken Stil zeigt. Die Dorfkirche Gnandstein ist ein hervorragendes Beispiel einer Patronatskirche in Sachsen. In ihr spiegeln sich die theologischen Vorstellungen verschiedener Epochen wieder und sie zeigt, wie sich vornehmherrschaftliche und ländlich volkstümliche Elemente ausgezeichnet in einen spätgotischen Raum einfügen.

Dorfkirche Altmörbitz

Das Dorf Mörbitz (Merenwiz) wird erstmals 1280 urkundlich erwähnt. Mehr als fünfzig Jahre später wird es dann in Abgrenzung zu Neumörbitz als Altmörbitz bezeichnet. In diese Zeit, also etwa die Mitte des 14. Jahrhunderts fällt auch der Bau der schlichten Saalkirche. Der Dachreiter der Kirche war ursprünglich deutlich höher (secheinhalb Meter) und endete in einer Spitze. Während eines Brandes 1783 wurde diese Spitze jeoch abgesägt und später durch den barocken Helm ersetzt. Geweiht war die Kirche dem Heiligen Martin und der Heiligen Katharina. Noch heute ist der Heilige Martin als Schnitzfigur neben der Muttergottes und dem Heiligen Laurentius in dem mittelalterlichen Altarretabel zu sehen. Besonders eindrücklich ist auch die Decke im Chorraum der Kirche. In spätgotischer Schablonenmalerei geschaffen, zeigt sie florale Elemente und Fabelwesen. Im Kirchenschiff wurde eine barocke Kassettendecke eingezogen und mit Blüten versehen. Auch die übrige Ausstattung der Kirche, Emporen und Gestühl sind farbig gefasst und mit Ornamenten versehen. Bemerkenswert sind auch die Kanzel und der Taufstein der Kirche, die gotische Gestaltungselemente und Formen der Renaissance gekonnt vereinen. Nur selten fügen sich die einzelnen Elemente der Ausstattung einer Kirche zu einem so stimmigen Gesamtbild wie hier. In einer schlichten und unspektakulären Hülle eröffnet sich dem Besucher ein farbenfrohes Schatzkästlein.

Die Kirchenerkundungstour wurde verwirklicht mit dem Preisgeld des simul+Ideenwettbewerbs sowie mit Mitteln des Soforthilfeprogramms „Kirchturmdenken. Sakralbauten in ländlichen Räumen: Ankerpunkte lokaler Entwicklung und Knotenpunkte überregionaler Vernetzung“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Sie ist ein gemeinsames Projekt des Evanglisch-Lutherisches Kirchspiels Kohrener Land – Wyhratal und der Heimvolkshochschule Kohren-Sahlis.

 

125-KSp-KLW-Signet
Print
640px-Beauftragte-der-Bundesregierung-für-Kultur-und-Medien-Logo.svg
SachsenSignet1993_rgb

Fotos: © Ines Linke (Kohren-Sahlis und Gnandstein)/ Falk Opelt (Altmörbitz und Rüdigsdorf)